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Zeitenwende am See – Neue Bücher zum 600-jährigen Jubiläum des Konstanzer KonzilsVon Wolfgang Alber Der Krisengipfel sollte die lang anhaltende Kirchenspaltung in einem zudem weltlich zerstrittenen Europa beenden: 1414 begann das Konstanzer Konzil, ihm ist die bis 21. September zu sehende Landesausstellung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe „Weltereignis des Mittelalters“ am Originalschauplatz gewidmet. Im Jubiläumsjahr gibt es eine Reihe von Neuerscheinungen, die nicht nur die Aufhebung des Schismas und die Ausgrenzung von Häretikern, sondern die vier Konzilsjahre zugleich als spätmittelalterliche Zeitenwende beschreiben. Zu nennen sind zunächst der Begleitband Das Konstanzer Konzil. 1414-1418. Weltereignis des Mittelalters mit Essays zur Ausstellung. Zwei Dutzend Autorinnen und Autoren stellen nicht nur Organisation und Ablauf, Protagonisten und Teilnehmer, Gegenstände und Beschlüsse des Konzils vor, sondern geben auch einen kunstgeschichtlichen Einblick, etwa zur spätmittelalterlichen Buch- und Tafelmalerei im Bodenseeraum. Gewürdigt wird natürlich der Konstanzer Schreiber Ulrich Richental, dem wir ein facettenreiches Bild des Konzils verdanken; Richental war rasender Reporter und akribischer Chronist zugleich. Wer einen knappen Überblick sucht, wird bei Daniel Gaschick und Christian Würtz fündig. Ihr Bändchen Das Konstanzer Konzil. Eine kleine Geschichte umfasst alle wesentlichen Stationen, Personen, Themen: Der römisch-deutsche Kaiser Sigismund von Luxemburg wollte die seit 1378 anhaltende Kirchenspaltung mit drei konkurrierenden Päpsten (Johannes XXIII., Benedikt XIII., Gregor XII.) überwinden, denn er hatte schon genug mit der weltlichen Unordnung zu tun: Im Osten drohten die Osmanen, im Westen hatte der französische König mit den Gegenpäpsten in Avignon ein eigenes Machtzentrum. Im Volk herrschte Untergangsstimmung, immer wieder flackerte die Pest auf, in den Straßen waren Flagellanten unterwegs und Bauern erhoben sich. Dieses schildern Thomas Martin Buck und Herbert Kraume in Das Konstanzer Konzil. Kirchenpolitik, Weltgeschehen, Alltagsleben ausführlich. Konstanz wurde als Konzilsort ausgewählt, weil es dem König als Reichsstadt unterstellt, zugleich aber als Bistum dem Papsttum verbunden war, es lag nahe an Italien, aber außerhalb des römischen Einflussbereichs. In der 6000 bis 8000 Einwohner zählenden Stadt kam es zu einem intensiven Kulturaustausch, denn zu den rund 2300 Konzilsteilnehmern im engeren Sinne gesellten sich bis zu 70 000 Gäste aus der ganzen damals bekannten Welt. Gleiches Gewicht messen Jan Keupp und Jörg Schwarz in ihrem lebendig geschriebenen Buch Konstanz 1414–1418. Eine Stadt und ihr Konzil dem Kirchenereignis und seinem Schauplatz bei. Originalzitate zeigen das Geschehen plastisch, bisweilen auch drastisch, etwa die Verbrennung von Hus und Hieronymus. Auch „Augenschmaus und Sinnesfreude“ kommen bei den kenntnisreich und verständlich schreibenden Mittelalterhistorikern nicht zu kurz; zu den Konzilsgästen gehörten neben Bankiers, Bäckern oder Gauklern auch 700 Prostituierte. An diese „Hübschlerinnen“ erinnert heute „Imperia“, die am Konstanzer Hafen thronende Statue des Bildhauers Peter Lenk: eine üppig dekolletierte Frau, die als wahre Königin des Konzils zwei nackte, mit Kaiserkrone und Tiara geschmückte Männlein auf Händen trägt. „Die schöne Imperia“ war nie in Konstanz, erst Honoré de Balzac hat sie in seiner Erzählsammlung Die tolldreisten Geschichten dorthin gebracht. Gern zitiert wird auch der im Sold Sigismunds angereiste Barde Oswald von Wolkenstein mit seiner auf den Bordellbetrieb gemünzten Sentenz: „Denk ich erst an den Bodensee, / Dann tut mir gleich der Beutel weh!“
Zum Weiterlesen: Karl-Heinz Braun/Mathias Herweg/Hans W. Hubert/Joachim Schneider/Thomas Zotz (Hrsg.), Das Konstanzer Konzil. 1414–1418. Weltereignis des Mittelalters. Essays. Konrad Theiss Verlag/Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013. 248 Seiten, 39,95 Euro Daniel Gaschick/Christian Würtz, Das Konstanzer Konzil. Eine kleine Geschichte. G. Braun Buchverlag, Karlsruhe 2014. 136 Seiten, 16,95 Euro Thomas Martin Buck/Herbert Kraume, Das Konstanzer Konzil. Kirchenpolitik, Weltgeschehen, Alltagsleben. Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2013, 392 Seiten, 26,99 Euro Jan Keupp/Jörg Schwarz, Konstanz 1414–1418. Eine Stadt und ihr Konzil. Primus Verlag, Darmstadt 2013. 184 Seiten, 19,90 Euro Waltraut Liebl/Siegmund Kopitzki (Hrsg.), Die Gans ist noch nicht gebraten. 600 Jahre Konstanzer Konzil – ein Lesebuch. Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2014. 538 Seiten, 17,99 Euro „Konstanz am Meer“ ist der Titel des „Himmelstheaters“ von Theresa Walser und Karl-Heinz Ott, das am 27. Juni im Rahmen der 600-Jahr-Feier in Konstanz unter der Regie von Johannes von Matuschka uraufgeführt wird. Das Theaterstück erscheint bei Klöpfer & Meyer, hat 160 Seiten und kostet 16 Euro. Wolfgang Alber, geboren 1948, war langjähriger Redakteur beim Schwäbischen Tagblatt Tübingen und lebt als freier Autor in Reutlingen. Er ist (Mit)Herausgeber der Albgeschichten und der Geschichten aus Hohenlohe sowie von Gustav Schwabs Landschaftsbildern in der Kleinen Landesbibliothek bei Klöpfer & Meyer. |
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